▸ Mit einem Blick ist es erfasst: Die Bäume sind schön grün. Ist also alles gut? Wozu braucht es da noch eine Baumkontrolle? Ganz so einfach ist es nicht.
Im technischen Bereich sehen wir schon Probleme, wenn in einer Seilbahn nur ein einzelner Drahtbruch zu finden ist. Einen Hochseilgarten bzw. einen Kletterwald unterteilen wir in drei grundsätzliche Bereiche: Das Aktionssystem, das Sicherungssystem und das Tragwerkssystem. Im Kletterwald besteht das Tragwerkssystem fast immer aus Bäumen. Die lebenden Bäume sind als Tragwerk essentiell und müssen entsprechend überprüft werden.

Foto: Peter Klug
Baumkontrollen
Die Jahreshauptinspektion der Anlage ist für die meisten Kletterwaldbetreiber Standard. Es gibt hier wenig Diskussion, ob das notwendig ist. Bei den Baumkontrollen sieht das Verständnis über die Notwendigkeit und erst recht über die Häufigkeit der Überprüfung schon anders aus. Dies merkt man schon daran, dass die Bäume in den Kletterwäldern häufig nicht mit einer eindeutigen Nummer gekennzeichnet sind. Wie soll da eine fachlich korrekte Kontrolle stattfinden, wenn der Baum nicht nachhaltig zu identifizieren ist?
Die Seilgartennorm EN 15567 ist kein rechtsverbindliches Dokument, sondern lediglich eine Empfehlung auf die sich ein interessierter Kreis geeinigt hat. Wo finden wir dann verlässliche Aussagen?
Im BGB §823 heißt es: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ Hier taucht der Begriff „Verkehrssicherungspflicht“ nicht auf. Er ist aber vor dem Hintergrund der rechtswidrigen Verletzung in Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz und BGB §823 entstanden und wird zum Beispiel im BGH-Urteil vom 21.01.1965 – III ZR 217/63 beschrieben.
Damals war die Verkehrssicherungspflicht im BGH-Urteil der Ausgangspunkt, sie sollte „den Gefahren begegnen […], die aus der Zulassung eines öffentlichen Verkehrs auf den Straßen entstehen können.“ Der BGH betont in diesem Zusammenhang aber auch, dass „nicht verlangt werden kann, eine Straße ständig völlig frei von Mängeln und Gefahren zu halten, da dies objektiv unmöglich ist.“
In Bezug auf den Wald grenzt der BGH im Urteil vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11 die Verkehrssicherungspflicht ein: „Da der Waldbesucher den Wald auf eigene Gefahr nutzt, ist eine Haftung des Waldbesitzer für waldtypische Gefahren ausgeschlossen.“
Verkehrssicherungspflicht im Kletterwald
Dies trifft nun aber nicht auf den Besuch des Kletterwaldes zu!! Die Verkehrssicherungspflicht trifft den Waldbesitzer oder den Betreiber eines Kletterwaldes dort, wo er „besondere Einrichtungen für die Öffentlichkeit vorhält oder eröffnet, mit welchen er gezielt Besucher anlockt und bei diesen eine gesteigerte Sicherheitserwartung herbeiführt.“ Beispiele sind hier Spielplätze, Grillplätze, Schutzhütten, Friedwälder – also auch Kletterwälder.
Was muss der Kletterwaldbetreiber nun tun, um den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht zu genügen? In der BGH-Rechtsprechung genügt zunächst eine „visuelle Kontrolle“. Konkret verlangt wird eine „sorgfältige äußere Gesundheits- und Zustandskontrolle vom Boden aus“.
Diese Kontrolle wird nach den FLL-Baumkontrollrichtlinien (FLL: Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.) als „Regelkontrolle in Form der fachlich qualifizierten Inaugenscheinnahme beschrieben“. Der BGH fordert diese Kontrolle in „regelmäßigen angemessenen Zeitabschnitten“. Weiter heißt es „Ihre Häufigkeit und Ihr Umfang sind vom Alter und dem Zustand des Baumes und dessen Standort abhängig“.
Um diese Anforderung genauer zu definieren hat die FLL allgemeine anerkannte Baumkontrollrichtlinien definiert und beschrieben. Die neuste Fassung ist die Ausgabe aus dem Jahr 2020. Diese Regeln gelten als „anerkannte Technik“. Die Zeitintervalle werden unterschieden. Die Bäume im Kletterwald sind nach den Regeln der FLL und der berechtigten höheren Sicherheitserwartung entweder 1x jährlich oder alle 2 Jahre zu kontrollieren:
▸ Alle 2 Jahre bei Bäumen in der Reifephase (Alter 15-80 Jahre)
▸ 1 x jährlich für Bäume in der Altersphase (Alter ab 80 Jahren)
Aber: Sobald der Baum stärker geschädigt ist, ist immer mindestens 1 x jährlich oder sogar in kürzeren Intervallen eine Kontrolle durchzuführen. In der Seilgartennorm DIN EN 15567:2020 10.5 heißt es: „Eine Baumkontrolle muss wenigstens einmal je Kalenderjahr und in einem maximalen Abstand von 15 Monaten vorgenommen werden.“
Die fachliche Eignung zum Intervall der Durchführung von Baumkontrollen setzt voraus, dass man Schäden und Schadsymptome in der Krone, am Stamm und im Wurzelbereich/Stammfuß erkennen kann und diese nach Art und Umfang, sowie das Gefährdungspotential einschätzen kann. Anschließend muss man fachlich in der Lage sein, das weitere Vorgehen festzulegen, die notwendigen Baumpflegemaßnahmen zu benennen und ihre Dringlichkeit einzuschätzen. Wichtig hierbei ist: Ein Förster ohne Zusatzausbildung hat nicht die Qualifikation für eine fachlich korrekte Baumkontrolle. Ein Forstbeamter beschäftigt sich vor allem mit der „Bewirtschaftung und Entwicklung des Waldes“.
In einem Schadensfall wird immer geprüft, ob das Ereignis vorhersehbar war. Nicht vorhersehbare Ereignisse sind zum Beispiel Schnee oder Eislast, Blitzschlag, Windwurf/Windbruch oder Grünastbruch. Vorhersehbare Ereignisse (Astbruch, Stammbruch, Baumwurf) deuten sich unter anderem durch Pilzfruchtköper, angehobener Wurzelteller, unnatürlicher Schrägstand, Risse, Druckzwiesel und Totholz an.
Vitale Bäume müssen nicht verkehrssicher sein!
Verkehrssichere Bäume müssen nicht vital sein!
Zusammenfassung
Um der Verkehrssicherungspflicht zu genügen ist es nicht ausreichend, wenn der Kletterwaldbetreiber selbst durch seinen Wald läuft und auf den ersten Blick an den Bäumen keine Mängel erkennt und sie deshalb als sicher einstuft. Ein Baumkontrolleur muss mindestens im 1-2 Jahresrhythmus, je nach Alter und Zustand, die Bäume begutachten und eine Aussage über das Gefährdungspotential treffen und ggf. Handlungsanweisungen formulieren.
Eine Fortsetzung über die Inhalte von Baumkontrollen und Beispiele von bedenklichen Merkmalen folgt in einer der nächsten Ausgaben.
Infos und Kontakt:
Dipl. Forstwirt Jochen Steinert
Inspektionen Seilgärten,
künstliche Kletteranlagen, Baumhäuser
FLL zertifizierte Baumkontrollen
Mitglied im SISKAAlte Steige 47
71134 Aidlingen
Deutschland
Tel.: +49 (0)70 56 926 4870
eMail: info@jochen-steinert.de
www.jochen-steinert.de