▸ Im Zuge unserer Inspektionen kommt es immer wieder zu Diskussionen: Was ist ein Mangel, wie schwerwiegend ist er? Besteht ein Sicherheitsrisiko oder ist es nur ein Normverstoß?

Um dieses Thema aufzugreifen, veranstalteten wir im Rahmen der Vertical Pro eine Aktion unter dem Titel: „Finde den Fehler“. Auf einer Länge von 6 Metern bauten wir eine Reihe von Stahlseilen und Stahlseilendverbindungen und unterteilten sie in 16 Sektionen: Einige waren fehlerfrei und normgemäß, andere hatten unterschiedlich schwer zu entdeckende Fehler.

Das Publikum hatte die Möglichkeit, einen Preis zu gewinnen: In einer Tabelle musste eine einfache Frage beantwortet werden: „Entspricht der betreffende Abschnitt der EN 15567 – ja oder nein?

Einige Fehler waren für Fachkundige sehr einfach zu erkennen, zum Beispiel Klemmen der vor mehr als 40 Jahren zurückgezogenen Norm DIN 741 (vulgo „Bauhausklemme“). Die darf definitiv nicht in sicherheitskritischen Anwendungen verwendet werden, sondern „nur für Gartenzäune, Lampenschirme usw.“ 

Oder verkehrt herum angebrachte Klemmen („Sattle nie ein totes Pferd“).

Der spätere Gewinner der Aktion, Michael Kammerer, deckte sogar einen möglichen Fehler auf, der gar nicht geplant war: Er sah, dass bei einer (von mir als normgemäß gedachten) Klemmverbindung das Anzugsmoment augenscheinlich unterschiedlich war. Wir haben es nicht überprüft, aber es zeigt, dass Michael ein würdiger Gewinner ist.

Im Vorfeld der Messe, am Inspektorentag, veranstalteten wir eine ähnliche Aktion, aber mit der Zusatzfrage: Ist die Seilendverbindung/das Teil sicher?

7 Teile wurden präsentiert und auf einem Flip Chart konnte jeder der Anwesenden eine Bewertung abgeben: In einer Spalte: Entspricht es der Seilgartennorm – ja/nein und in der zweiten Spalte: Ist es sicher – ja/nein.

Die Frage nach Normkonformität und Sicherheit sind komplett unterschiedlich und unabhängig: Viele Normanforderungen haben mit dem Thema Sicherheit nichts zu tun. 

Die Auswertung überraschte mich: Ich hatte ausschließlich Teile mitgebracht, die ich als sicher einschätze und an die ich bedenkenlos meine Kinder hängen würde.

Das Fachpublikum urteilte da unterschiedlich: Bei einigen Teilen war es sogar überwiegend der Meinung, dass das Teil unsicher ist.

Ich nehme ein Beispiel heraus:

Es ist eine in der Seilklemmennorm EN 13411-5 explizit angeführte Klemmenart, die vor allem von US-amerikanischen Herstellern eingesetzt wird. Ich habe mich auch an die Montageanweisungen in der Norm gehalten.

Ich habe nichts gefunden, was gegen das aufgedröselte Ende spricht: Also ist diese Seilendverbindung normkonform und natürlich auch sicher: Im millionenfachen Gebrauch bewährt.

Und so urteilte das Fachpublikum: Die Bewertungen waren fast gleichmäßig auf ja/nein verteilt. Jeweils die Hälfte der Experten meinten, die Seilendverbindung sei nicht normkonform und auch nicht sicher. Jetzt kann man vielleicht über das aufgedröselte Ende diskutieren, aber wenn etwas eindeutig ist: Die Seilendverbindung ist objektiv als sicher einzustufen.

v.l.n.r.: Cecile Wagner (IAPA), Walter Siebert, Michael Kammerer, Carolin Senn (IAPA)

Was lernen wir daraus?

Wenn man „3 Experten fragt, bekommt man 4 Antworten“.

In unserer Branche sind die Meinungen bei scheinbar eindeutigen Situationen sehr unterschiedlich.

Bei dieser Veranstaltung wurde deutlich, wie groß die Streuung der fachlichen Einschätzung ist. Und in vielen Fällen wird es als persönliche Ermessenssache gesehen, auch wenn es eigentlich klar wäre. Darum ist der Austausch zwischen Inspektoren auch so wichtig und wir freuen uns, wenn nächstes Jahr wieder viele dabei sind.

Infos und Kontakt:

Walter Siebert

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