Oft tauchen die wichtigsten Fragen während einer Konferenz dann auf, wenn alles „Offizielle“ vorbei ist. So war es auch beim letzten IAPA-Treffen in Berlin, als eine illustre Runde zu später Stunde bei einem Aussteller über dieses und jenes plauderte und plötzlich einer fragte: „Wieso gehen eigentlich ERCA und IAPA nicht zusammen?“ Was mit kurzem Schweigen und vielsagendem Lächeln „kommentiert“ wurde. Als mich der Fragesteller direkt ansprach, wie ich die Chancen sehe, begann ich, ein bisschen über die Geschichte dieser beiden Vereine zu plaudern.

Ich glaube, um das Jetzt verstehen zu können, ist ein Blick aufs „Damals“ hilfreich. Daher werde ich meine Sicht darlegen:

1997 war die Gründung der GRCA (German Ropes Course Association). Es war wie bei der ACCT: Hoch motivierte Leute wollten die Industrie, die sie liebten, vorantreiben. Wichtig war die Entwicklung von Standards. Das ursprüngliche Betätigungsfeld der GRCA waren in erster Linie die traditionellen Seilgärten. Adventure Parks waren kaum vertreten. 2003 wurde die GRCA zur ERCA (European…). Einige Zeit später begannen die Adventure Parks zu boomen – was eine Diskussion zur Folge hatte, ob diese in der ERCA überhaupt vertreten sein sollen.

Es wurde entschieden: Adventure Parks sind nicht „our business.“ Und in diesem Entscheidungsprozess sehe ich die Wurzeln des Konflikts: Es war nicht die simple Entscheidung, denn die hätte sachlich und entspannt über die Bühne gehen können. Es hätte entweder eine Untergruppe gegeben oder halt einen anderen Verein, der sich um dieses Kind kümmerte. Das Problem war die Art und Weise, wie den Proponenten der Adventure Parks signalisiert wurde: „Euch brauchen wir hier überhaupt nicht“ – verbunden mit massiver Abwertung. 

Wenn Menschen, die einen starken Willen haben und etwas voranbringen wollen eine Meinungsverschiedenheit haben, führt das oft zu „Na-Euch-werde-ichs-jetzt-erst-recht-zeigen“ – Reaktionen. Dieser Ärger, der Wunsch nach Vergeltung für die Abwertungen, kann ganz schön Energie frei machen.

Die IAPA wurde gegründet und schoss richtiggehend aus dem Boden. Schwuppdiwupp war der ERCA eine ernstzunehmende Konkurrenz entstanden, die diesen behäbig gewordenen Verein mit raschen Entscheidungen und gutem Marketing vor sich hertrieb. Die ERCA hatte nämlich verspätet beschlossen, auf diesen Zug aufzuspringen, Adventure Parks wurden der Hauptfokus der ERCA. Damit war die Konkurrenz eröffnet.

Und das geschah nicht emotionslos: Schlüsselpersonen der beiden Vereine hatten ja einen emotionalen Konflikt auszutragen, und so wurde diese Kultur auf die Mitglieder übertragen. Das ging ganz schnell. „Wir sind die Guten, die sind die Bösen“. Wie in der großen Politik. Ich erinnere mich noch, wie mir signalisiert wurde, dass es ein absolutes No-Go sei, als ich die Idee hatte, auch bei der IAPA Mitglied zu sein. 

Es ging nicht nur mir so: Viele ERCA-Leute, die das erste Mal bei einer IAPA-Versammlung waren, waren erstaunt, dort „auch nette Menschen“ vorzufinden.

Ob es umgekehrt auch so war, weiß ich nicht, damals war ich auf die ERCA fokussiert.

Auf Managementebene gab es ausreichend Auseinandersetzungen, die nur eine Fortsetzung des ursprünglichen, auf gegenseitigen Abwertungen fußenden Konflikts waren. Auf beiden Seiten wurde gemunkelt „Die wollen uns übernehmen“.

2011 wurde ich ins Executive Board der ERCA gewählt und ich setzte mich für eine Fusion der beiden Vereine ein. Meiner Meinung nach machte die Konkurrenz zur damaligen Zeit keinen Sinn mehr. Es fanden auch einige Fusionsgespräche statt, aber letztendlich kamen die nie über Absichtserklärungen hinaus. Zu unterschiedlich waren die Kulturen, zu tief die Klüfte.

Auch wenn die Hauptakteure des Ursprungskonflikts nicht mehr im Management sitzen, die Kultur der Abneigung steckt sehr, sehr tief drinnen und ließe sich nur überwinden, wenn beide Seiten das als Hauptanliegen hätten. Ich weiß nicht mehr, wie es bei der ERCA ist, aber ich habe mich bei der letzten Tagung der IAPA schon in alte ERCA Zeiten zurückversetzt gefühlt: „Die wollen uns übernehmen …“ hörte ich da.

Tja, auf die eingangs gestellte Frage möchte ich folgende Antwort geben:

Da ich keine vorrangige Motivation erkennen kann, zu fusionieren, wird dieser Konflikt weiterschwelen, und solche Schwelbrände können sich sehr, sehr lange halten. Es ist wie bei dem berühmten Versuch mit den „5 Affen, der Leiter, den Bananen, dem Wasser“. Wenn ein Affe zur Banane klettert, werden alle Affen mit Wasser bespritzt. Die Affen lernen schnell und mobben jeden, der sich der Banane, ja nur der Leiter nähert. Das tun sie auch, wenn man nach und nach alle 5 Affen austauscht. Bald sind die ursprünglichen Akteure nicht mehr da, die die Ursache erlebt hatten. Trotzdem mobben sie jeden Affen, der zu den Bananen will. Keiner weiß mehr, warum, aber alle sind sich einig.

Doch ich habe Hoffnung: Erstens sind wir keine Affen. Zweitens ist dieses beschriebene „Experiment“ ein modernes Märchen, es hat nie stattgefunden. 

Wir Menschen sind überdies mit Einsichtsmöglichkeit ausgestattet. Wir können erkennen, dass da niemand mehr mit Wasser spritzt oder gar keine Banane mehr da ist. Wir könnten uns daher die Frage stellen: Macht es Sinn, zwei konkurrierende Vereine zu haben oder sollten wir uns einigen? Es würde hohen Aufwand bedeuten. Den müssten wir einem möglichen Nutzen gegenüberstellen. In jedem Fall sollten wir überlegen, ob nicht vielleicht sogar die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses besteht. In jedem Fall könnten wir aufhören, „die Anderen“ als Gegner zu betrachten. Möglicherweise sitzen wir im gleichen Boot.

Infos und Kontakt:

Walter Siebert

Erstinspektionen, Folgeinspektionen, Gutachten

Gerichtlich Zertifizierter Sachverständiger (Gutachter)

Unabhängige Inspektionsstelle

„Typ A“ gemäß EN ISO/IEC 17020:2012

Mitglied des SISKA (Sicherheitskreis Seilkletteranlagen),

Ramperstorffergasse 37

A-1050 Wien 

Tel: +43 664 102 8487 

Fax: + 43 (1) 545 32 00 32

E-Mail: office@siebert.at 

www.siebert.at