▸ Once the storm is over, you won’t remember how you made it through, how you managed to survive. You won’t even be sure, whether the storm is really over. But one thing is certain. When you come out of the storm, you won’t be the same person who walked in. That’s what this storm’s all about. 

Sobald der Sturm vorbei ist, wirst du dich nicht mehr erinnern, wie du ihn überstanden hast, wie du es geschafft hast zu entkommen. Du wirst nicht einmal sicher sein, ob der Sturm wirklich vorbei ist. Eines ist jedoch sicher. Wenn du aus dem Sturm herauskommst, wirst du nicht dieselbe Person sein, die durch ihn hindurchgegangen ist. Darum geht es bei diesem Sturm. 

-Haruki Murakami

Bäume wurden umgeknickt, Plattformen heruntergerissen. Ganze dreimal verursachten Stürme einen Totalschaden

Der Anfang vom Ende

Jörg Brockes Pechsträhne begann mit Kyrill. 2007 fegte der Orkan über Europa hinweg und verursachte allein in Deutschland Schäden in Höhe von bis zu 5,5 Milliarden US-Dollar. Der Kletterwald Niederrhein in Süchteln blieb nicht verschont. Brockes hatte den Hochseilgarten erst ein Jahr zuvor eröffnet. Damals war sein Kletterwald einer von sechs in ganz Deutschland. Statt zu jammern wurde kräftig in die Hände gespuckt. Die Anlage und das angrenzende Waldgebiet  wurden eingehend inspiziert, ein Schadensbericht erstellt und mit dem aufwendigen Wiederaufbau begonnen.

Sturmhöhe

Fast Forward ins Jahr 2018: Orkantief Friederike zog als schwerer Sturm mit Orkanböen durchs Land und verwüstete ganze Ortschaften. Wieder wurden große Teile des Kletterwalds zerstört.  Die Ausmaße waren verheerend. Weil nicht vorhersagbar war, ob weitere Bäume umstürzen und abgebrochene Äste herunterfallen würden, musste der umliegende Wald vorübergehend zur Gefahrenzone erklärt werden. Viele Bäume der Anlage standen schräg und die Seile verursachten erhebliche Spannungen im Holz. Insgesamt 70 Prozent der Bäume wurden vom Sturm umgeworfen oder massiv beschädigt. Von sieben Parcours waren nur noch zweieinhalb nutzbar.

Friederike traf die Region weitaus schlimmer als Kyrill. Der Orkan beschädigte rund 15.000 Bäume in Viersen. Brockes dachte damals ans Aufgeben. Er sah seinen „beruflichen Traum in Trümmer gelegt und das in einer Dimension, die selbst beim größten Optimisten Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung aufkommen lässt“ (Interview mit der RP 2018).

Ein kleiner Lichtblick in dieser unglücklichen Situation waren die zahlreichen Hilfsangebote die Brockes online erreichten und die Unterstützung von Seiten der Stadt durch die Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD). Schon früh stand fest, dass ein Neustart nur am bisherigen Standort in Frage kommt. Mit Hilfe der Stadt sollte etwa die Nutzung benachbarter Flächen oder eine schnellere Erteilung von Genehmigungen ermöglicht werden. Wieder machte sich Brockes an mühselige Aufräumarbeiten und die Rekonstruktion seines Kletterwalds.

Entrindete Stämme: solange die Borkenkäfer am Baum selbst nicht voll entwickelt sind, kann so ein weiteres Wachstum verhindert werden

Der Schmetterlingseffekt

Der nächste Tiefschlag ließ nicht lange auf sich warten. September 2018 verkündete Brockes seinen Entschluss den Kletterwald Niederrhein auf den Süchtelner Höhen zu schließen. Der Borkenkäfer war schuld. Dieser sich rapide ausbreitende Schädling hatte die Anlage befallen und allein im vorausgehenden Sommer ganze zehn Prozent des 2,7 Hektar großen Geländes zerstört. Neben dem Eichenprozessionsspinner ist der Borkenkäfer einer der gefährlichsten Baumschädlinge für Hochseilgärten. Eine Ursache für den Befall ist unter anderem die vermehrt auftretende hohe Trockenheit während der Sommermonate. Die Bekämpfung gestaltet sich schwierig und endet häufig mit abgestorbenen Bäumen und Kahlschlag.

Für den Kletterwald auf den Süchtelner Höhen war der Befall vernichtend: Rund 100 Bäume waren Ende 2018 massiv befallen. Von 25 musste die Krone entfernt werden. Ein Baumsachverständiger hatte die Bäume für drei Jahre als standsicher diagnostiziert. Danach hätten sie wiederholt geprüft werden müssen. Und der Befall war nicht vorbei. Unaufhaltsam fraß sich der Borkenkäfer weiter von Parcours zu Parcours.

Eine neue Hoffnung

Ein neuer Standort musste her. Die Stadt Viersen bot Brockes zwar ein mögliches Grundstück an, aber dort wäre er im Bereich der Bauleitplanung gewesen. Bis der neue Kletterwald da endlich gestanden hätte, wären voraussichtlich sechs Jahre vergangen. So viel Zeit blieb Brockes und seinem engagierten Team nicht. Stattdessen fanden sie ein 1,7 Hektar großes Gelände in  Nettetal. Die komplette Infrastruktur war bereits vorhanden, so dass die Bebauung besonders umweltfreundlich verlaufen konnte.

In direkter Nähe liegt eine Jugendherberge, deren Besucher den Kletterwald am alten Standort schon häufig genutzt haben. In Zukunft brauchen sie sich für ihren Ausflug in die Baumwipfeln nicht mehr in den Bus nach Süchteln zu setzen. Es wurde sogar eine Kooperation mit den Aktivitäten der Jugendherberge Nettetal-Hinsbeck und dem Landessportbund als Träger des Sport- und Erlebnisdorfes Hinsbeck gebildet.

2020 sollte der neue Kletterwald eingeweiht werden. In der Zwischenzeit wurde weiter in das frühere Gelände investiert und der neue Parcours Abenteuer II gebaut.

Live. Die. Repeat.

Und dann kam Eberhard. Das Sturmtief im März 2019 war ähnlich verheerend wie Friederike ein Jahr zuvor. Im Kletterwald Niederrhein war kein Parcour mehr intakt. Überall auf dem Gelände wurden Bäume umgeknickt und Kletterplattformen demoliert. Als Brockes zur ersten Schadenserhebung kam, fehlten ihm die Worte. Drei der vier Parcours, die nach Sturm Friederike angelegt wurden, waren komplett zerstört. Bei lediglich vier der übrigen Kletterstrecken gab es Hoffnung sie wieder reparieren zu können. Insgesamt mussten 68 Bäume mit Parcours-Plattformen geräumt werden.

Eigentlich hatte Brockes geplant, mit seinem Team im April in die neue Saison zu starten. Jetzt musste erst einmal ein Vertreter der Versicherung den Schaden aufnehmen. Der Saisonstart verschob sich damit auf unbekannte Zeit. Es galt nur noch den Betrieb halbwegs ins Laufen zu bringen und die letzte Saison auf den Süchtelner-Höhen mit Hängen und Würgen zu überstehen. In der Hinsbecker Heide, am neuen Standort, war im Übrigen kein Schaden entstanden. Der gesamte Laubwald blieb von Eberhard verschont.

Mitten in der Waldoase steht die neue Zentrale. Die Hütte ist komplett aus Holz und damit perfekt in die Umgebung integriert

Neuanfang

Nach Saisonende war es dann soweit: Den Süchtelner-Höhen wurde endgültig der Rücken zugekehrt. Das Gelände wurde verlassen und verkam immer mehr zur Ruine. Statt einen Kletterwald fanden Spaziergänger nur noch die Überreste – einen Geisterwald – vor. Ganze dreizehn Jahre hatte der Hochseilgarten Familien und Gruppen in den Nadelwald gezogen. Die anfänglich 50 Kletterelemente wuchsen über die Zeit auf stattliche 110 Elemente an. Brockes hatte sein ganzes Herzblut, Arbeit und Geld in die Anlage gesteckt, aber am Ende war er machtlos gegen die Natur. Drei desaströse Stürme und der widerspenstige Borkenkäfer hatten ihn an seine Grenzen gebracht. Allein die Kosten für den Wiederaufbau nach Friederike beliefen sich auf 210.000 EUR. Eberhard verursachte einen weiteren Schaden in Höhe von 195.000 EUR. Es war Zeit für einen Neuanfang.

Rund 350.000 EUR sollten in den neuen Standort investiert werden. Auf einer Fläche von 20.000qm entstanden acht Parcours mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen und insgesamt 125 Kletterelementen. In bis zu 15 Metern Höhe wurden Netzbrücken, Bohlen, Schaukeln, Seilbahnen, Surfbretter und Tarzan-Sprünge angebracht. Das Eröffnungsdatum stand bereits fest. Kasse und Kiosk wurden noch eingebaut und dann sollte es passend zum Start in die Osterferien losgehen.

Netzbrücken, Bohlen und Schaukeln schmücken den neuen Standort

Corona

Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Die Corona-Pandemie breitete sich immer schneller in Deutschland aus. Gegenmaßnahmen mussten ergriffen werden und so wurden auf behördliche Anordnung sämtliche Sportstätten geschlossen. Die lang ersehnte Neueröffnung rückte in weite Ferne. Die Kunden fehlten und damit auch die Umsätze. Jörg Brockes musste wie viele andere Soforthilfe beantragen. Die Stundung der Steuervorauszahlung wurde ihm erst bewilligt, nachdem die Zahlung bereits abgebucht worden war und die Krankenkasse, die einer Stundung zugestimmt hatte, buchte trotzdem weiter ab. Es sah schlecht aus für das Kletterwaldteam.

Aber Brockes gibt nicht schnell auf. Er ist eine Kämpfernatur: während der Zwangspause stand er ständig mit der Stadt und dem Landtagsabgeordneten Marcus Optendrenk (CDU) in Verbindung, statt Eintrittskarten verkaufte er Online-Gutscheine und Flex-Tickets, mit denen gebuchte Termine umbuchbar sind.

Happy End

Und dann war es soweit – nach einem unsicheren Monat voll Hoffen und Bangen, durfte der Kletterwald Niederrhein in Nettetal-Hinsbeck am 9. Mai endlich die ersten Gäste empfangen. Das Geschäft boomt. Nach sieben Wochen drögem Lockdown wollen die meisten Leute was Erleben.

Was eignet sich während einer Pandemie besser als Action an der frischen Luft? Natürlich läuft alles unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln.

Jörg Brockes Pechsträhne hat ein glückliches Ende gefunden. Den zusätzlichen Monat bis zur zwangsweise verschobenen Eröffnung konnte er sogar nutzen, um zwei weitere Parcours fertigzustellen, die sonst erst nach den Sommerferien gebaut worden wären. Nach den Herbstferien soll der Bau von zwei weiteren Parcours für die kleinsten Besucher folgen. Dann kann, statt ab sechs Jahren schon mit vier Jahren geklettert werden. Die Besucher sind jedenfalls jetzt schon hellauf begeistert.

Infos und Kontakt:

Kletterwald Niederrhein GmbH

Jörg Brockes

Heide 2d

41334 Nettetal

Tel.: 02153. 121 9019

E-Mail: j.brockes@kletterwald.net

www.kletterwald.net