▸ Vor vier Jahren hat Thomas Gradl den Kletterwald Regensburg samt Unternehmen übernommen. In diesem Interview blickt er auf die letzten Jahre in seinem Kletterwald zurück und erzählt Oben, worauf es bei der Übernahme eines Kletterwalds ankommt und was jetzt noch bevorsteht.
Oben: Thomas, vielleicht für alle, die dich noch nicht kennen – kannst du dich einmal kurz vorstellen und uns einen Überblick über den Kletterwald in Regensburg geben?
Thomas Gradl: Klar, gerne. Ich habe Geografie studiert, mit einem Schwerpunkt Freizeit und Tourismus. Gelernt habe ich im Bauteam bei faszinatour. 2009 habe ich mich dann selbstständig gemacht und biete seither europaweit Inspektionen, Ausbildungen, Reparaturen und Beratung an, mit etwa 150 Kund:innen pro Jahr. Ein paar Jahre später habe ich Spielplatzelemente und Trampolintücher als kollektives Sicherungssystem entwickelt. Für die Trampolintücher gab es dann letztes Jahr auch den IAPA Award. Und vor vier Jahren habe ich den Kletterwald Regensburg übernommen.
Oben: Und um genau den soll es ja heute gehen. Wie würdest du die letzten vier Jahre beschreiben? Was waren die größten Highlights und Herausforderungen?
Thomas Gradl: Rückblickend war die Zeit sehr intensiv, aber auch unglaublich bereichernd. Eines meiner größten Highlights war es, Ramona als Parkmanagerin zu finden. Sie lebt den Kletterwald mit voller Leidenschaft, genauso wie Tine im Backoffice, die meine kreativen Ideen in geregelte Strukturen bringt. Die größte Herausforderung war und ist das Recruiting – aber auch das wird von Jahr zu Jahr besser.
Die größte Bereicherung war die Horizonterweiterung, die mir zu Teil wurde als ich plötzlich die „Betreiberbrille“ aufhatte. Als Inspekteur oder in einer Beratung gute Tipps zu geben und wieder zu fahren, ist schon etwas ganz anderes als die guten Tipps zu bekommen und für die Umsetzung verantwortlich zu sein.
Oben: Du hast ja nicht nur den Kletterwald, sondern das gesamte Unternehmen übernommen. Welche Unterschiede hat das für dich gemacht?
Thomas Gradl: Ich bin ja beileibe kein Steuerfachmann, sonst würde ich wahrscheinlich in Dubai oder Zürich den Firmensitz haben (auch wenn’s hier schöner ist), aber laut Aussage von Steuerberatern konnte ich nur bei der Übernahme des gesamten Unternehmens den vollen Kaufpreis in die Abschreibung bringen.
Zum anderen konnten bestehende Verträge z.B. mit dem Verpächter, Lieferanten usw. problemlos weitergeführt werden. Es waren also steuerliche und juristische Gründe. Kein Licht ohne Schatten: Das gesamte Unternehmen übernehmen bedeutet auch vollständig in Haftung und Verantwortung zu gehen, für alles, was die Verkäufer getan oder unterlassen haben. Da lohnt es sich schon sehr genau zu prüfen.
Oben: Und wie hast du dich auf die Übernahme vorbereitet?
Thomas Gradl: Ich habe mir ein eigenes Bild gemacht und mir ausführlich Zeit genommen, meine Motivation für die Übernahme zu hinterfragen. Hierbei habe ich auch professionelle Unterstützung in Form von Coaching in Anspruch genommen.
Ich habe erfahrene befreundete langjährige Seilgartenbetreiber konsultiert und mit Unterstützung eine ausführliche SWOT Analyse angefertigt. Übrigens ein sehr hilfreiches Instrument bei der Entscheidung, wie auch bei den Finazierungsverhandlungen.
Oben: Eine SWOT-Analyse ist ein strategisches Planungsinstrument, das genutzt wird, um die Stärken (Strengths), Schwächen (Weaknesses), Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) eines Unternehmens, Projekts oder einer Situation zu bewerten. Als alle Zweifel beseitigt waren und du den Kletterwald übernommen hast, wie bist du da vorgegangen? Und wie hat sich der Kletterwald Regensburg verändert?
Thomas Gradl: Letztendlich haben wir einen klaren 5 Jahresplan aufgestellt für alle Bereiche des Betriebs. Ziel war eine möglichst große Effektivität durch einen hohen Digitalisierungsgrad im BackOffice zu erreichen und zum anderen das Angebot im Wald zielgruppenorientiert voranzutreiben. Direkt nach der Übernahme haben wir mit ca. 35 Elementen die Zielgruppe der 4- bis 6-Jährigen angesprochen.
Im zweiten Jahr haben wir einen Großteil der Parcours für die Zielgruppe ab 6 Jahren und Familien erweitert und umgebaut. Konzeptionell wichtig waren uns: alle Einstiege für diese Zielgruppe an einem Platz zu haben, die Parcoursverläufe sind von einer Position aus einsehbar, die Elemente müssen hochwertig, optisch ansprechend, aber einfach sein.
Wir wollen konzeptionell Rettungen auf ein absolutes Minimum bringen und möchten jedem Gast das Gefühl geben, es selbst geschafft zu haben. Parallel dazu haben wir auf eine Videoeinweisung umgestellt, Gäste legen sich die PSA ohne Personaleinsatz selbst an und geben diese auch ohne Personaleinsatz zurück. Wir wollten damit kein Personal einsparen, sondern unser Personal von unnötiger Arbeit befreien, um Energie und Zeit in die Kommunikation (Mundpropaganda) mit unseren Gästen zu investieren.
Letztes Jahr haben wir alle Parcours für die Zielgruppe ab 13 Jahren umgebaut und mit neuen Parcours ergänzt und wiederrum die Aufstiege zusammengeführt. Für unsere Zielgruppe „Gruppen, Vereine, Verbände“ haben wir ein Teamareal eingerichtet, welches auch ohne Betreuung durch uns gepachtet werden kann.
Gerade jetzt sind wir dabei der Zielgruppe „Poser im Muscleshirt“ einen neuen Parcours mit Anlehnung an Elementen aus dem Ninja Parcours zu bauen und die letzten Bausünden in Form von geklemmten Plattformen und Schwerlastschlingen zu beseitigen.
Das letzte Planungsjahr soll der Konsolidierung und Optimierung im Kleinen dienen. Ohne große weitere bauliche Veränderungen. (Vielleicht noch einer kleiner Zipline Parcours).
Oben: Zukünftige Betreiber:innen interessiert wahrscheinlich auch besonders, welche Maßnahmen ihr nutzt, um Besucher:innen zu gewinnen und langfristig zu binden?
Thomas Gradl: Mundpropaganda ist für uns das A und O. Unsere Strategie besteht darin, die Infrastruktur sauber, ansprechend und zielgruppenorientiert zu gestalten. Außerdem bieten wir unseren Gästen jedes Jahr baulich etwas Neues – damit sie immer wieder Grund haben, zu uns zurückzukommen. Ein weiteres wichtiges Element ist die Mitarbeiterausbildung. Während klassische Inhalte wie Einweisung oder Retten natürlich weiterhin vermittelt werden, legen wir zukünftig viel Wert auf soft skills. Der Fokus liegt auf dem Umgang mit Gästen, Kommunikation, Selbstverständnis im Betrieb, Konfliktmanagement und der Strahlkraft des ersten Eindrucks. Langfristig möchten wir ein Erlebnis schaffen, das weit über das Klettern hinausgeht. Wir möchten unseren Gästen eine Auszeit bieten, sodass sie komplett in den Moment eintauchen können – von der ersten Berührung mit unserer Website über die Buchung, das Einweisen, das Klettern bis hin zu einem leckeren Kaffee aus der Siebträgermaschine. Unser Ziel ist, dass die Gäste den Kletterwald mit einem positiven Gefühl verlassen und ihre Erlebnisse voller Stolz und Begeisterung weitertragen.

Oben: Hast du neue Marketingstrategien oder Kooperationen eingeführt, um diese Vision zu unterstützen?
Thomas Gradl: Ja, in den letzten Jahren haben wir uns stark auf Social Media konzentriert und erst mal alles andere gekappt. Jetzt, am Ende des vierten Jahres, beginnen wir mit einer intensiveren Suche nach Kooperationen. Allerdings möchte ich Kooperationen nur dann eingehen, wenn beide Partner:innen auf Augenhöhe sind. Ich glaube, dass Kooperationen, die auf dem Ausgleich von Schwächen beruhen, langfristig nicht erfolgreich sind. Ein weiteres großes Thema für die Zukunft ist die Nutzung von Daten, die wir durch unser Buchungstool sammeln. Die Möglichkeiten, die CRM-Systeme und Cross-Selling bieten, nutzen wir bisher bei weitem noch nicht aus. Aber ich sehe hier großes Potenzial, das wir in den nächsten Jahren ausschöpfen wollen.
Oben: Und ganz besonders interessiert uns natürlich: Was würdest du anderen Betreiber:innen mit auf den Weg geben, die vielleicht ebenfalls eine Übernahme planen?
Thomas Gradl: Macht euch eine klare Vision für euren Seilgarten. Stellt euch konkret vor, wie euer Betrieb in einem, zwei oder fünf Jahren aussehen soll. Die Herausforderungen liegen oft nicht bei den Kletterelementen, sondern im Backoffice, der Personalverwaltung und dem Marketing. Habt also das Ganze im Blick. Und dann habt Spaß und nochmal Spaß und brennt für das, was ihr tut.
Infos und Kontakt:
Thomas Gradl
Diplom-Geograph Univ.
Ermächtigter Sachverständiger IAPA CERT
Zertifizierter Spielplatzprüfer nach DIN 79161
Mitglied im Sicherheitskreis „Seilgartenanlagen“ e.V.
Griesgartenstraße 24B
D- 82467 Garmisch-Partenkirchen
Tel.:+49 (0)160 99029826
eMail: info@thomasgradl.de