Im vergangenen März kamen einige IAPA-Mitglieder in den Genuss, am virtuellen Vortrag „Mitarbeiter und Motivation“ von Oliver Haller teilnehmen zu können. Das Feedback hierzu war so positiv, dass wir bei Oliver noch einmal intensiver zum Thema nachhaken wollten.

Herausforderungen des modernen Lebens

Oliver Haller bezeichnet sich selbst als Health Impact Coach und arbeitet als Coach und Trainer mit Unternehmen und Privatpersonen an der Entwicklung eines gesunden Mindsets. Seiner Meinung nach ist eine ganzheitliche Betrachtung von Stressoren und das Erarbeiten gesunder Routinen essentiell für eine gelungene Life-Balance.

Heute sprechen wir aber darüber, wie uns Herausforderung und Motivation einst das Überleben gerettet haben und was wir daraus für unser heutiges Verhalten lernen müssen.

Oben:

Du ziehst gerne Vergleiche aus der Evolutionsgeschichte heran, um unserem Verhalten auf den Grund zu gehen. Zeigen wir wirklich noch Reaktionen wie unsere Vorfahren in der Steinzeit?

Oliver Haller:

Definitiv! Wir zeigen sogar noch Reaktionen, die schon den Dinosauriern das Überleben gerettet haben. Danach haben wir natürlich ordentlich an Fähigkeiten zugelegt, aber seit spätestens zweihunderttausend Jahren haben sich unser Gehirn und Körper nicht mehr wirklich verändert. Wir sind also Steinzeitmenschen in einem extrem veränderten Umfeld. Um da zurecht zu kommen, müssen wir schlau sein und unsere ursprünglichen Bedürfnisse kennen.

Oben:

Da fällt mir als erstes Essen ein!

Oliver Haller:

Richtig. Mit Nahrung und Flucht vor Gefahren hat alles begonnen. Aber es gibt noch viel mehr, das uns gar nicht bewusst ist. Zum Beispiel die Wichtigkeit, von unserer Herde akzeptiert zu werden. Einzelkämpfer hatten früher nicht allzu große Überlebenschancen. Darum tun wir alles, um unsere Zugehörigkeit zur Herde zu sichern. Wir versuchen zum Beispiel zu gefallen und laufen vorgegebenen Idealen hinterher, die gar nichts mit uns zu tun haben.

Oben:

In deinem Vortrag hast du erzählt, dass wir heute viel mehr Stress erleben, obwohl es weniger Gefahren gibt. Kannst Du das nochmal erklären?

Oliver Haller:

Da muss ich etwas ausholen. Heute gibt es weit mehr Stressoren als früher, und der Stress hält viel länger an. Die Flucht vor dem Säbelzahntiger war im Vergleich schneller erledigt – so oder so. Wir sind nicht Tage oder gar Monate am Stück vor dem Tiger geflüchtet. Heute tun wir das. Wir erleben Dauerstress, Tag und Nacht. Dafür ist unser Körper nicht gemacht, wir sind erschöpft und werden krank. Außerdem ist die Grundbelastung eine viel höhere: Umwelteinflüsse, Medien, da brauchen wir noch nicht einmal ein Problem, um in Stress zu geraten.

Damit noch nicht genug, sucht unser Gehirn ständig nach Dingen, die gerade nicht gut laufen oder gefährlich werden könnten. Wir haben eine vorinstallierte Überwachungssoftware, die nach Problemen sucht. So funktioniert Überleben, wir halten Ausschau nach Gefahr. Allerdings waren es früher echte Gefahren. Heute sind wir einer Flut von diffusen Informationen ausgesetzt, die keine direkte Relevanz für unser Leben haben.

Wir hören ständig negative Nachrichten und Horrorszenarien aus aller Welt, vor denen wir nicht flüchten müssten. Nur unser Steinzeitgehirn weiß das nicht und reagiert mit dem gleichen Stress, als ob der Säbelzahntiger hinter uns her wäre. Daher wäre es wichtig, weniger furchterregende Nachrichten zu konsumieren und sich mit positiven Menschen zu umgeben.

Oben:

Du hast eine gute Einsicht in Unternehmen. Hat der Stress in der Zeit der Pandemie zugenommen oder hat sich unser Leben sogar etwas beruhigt?

Oliver Haller:

Das empfinden wahrscheinlich alle unterschiedlich. Es gibt Berufsgruppen, die extrem gefordert sind, andere, die um ihre Existenz kämpfen, aber sicher auch einige, die aufgrund von Homeoffice plötzlich mehr Zeit mit der Familie haben. Deswegen war es auch sehr interessant für mich, im März einen Einblick in die Situation von euch Seilgartenbetreibern zu bekommen. Da war definitiv eine kollektive Verunsicherung zu spüren, wie es denn weitergeht. Und diese Verunsicherung ist ansteckend.

Wir nehmen die gegenseitigen Ängste wahr und sind alarmiert. Obwohl es auch beruhigend sein kann, nicht alleine in der Ungewissheit zu stecken, traue ich mich zu sagen, dass der Stress in eurem Arbeitsumfeld sicher zugenommen hat. Umso wichtiger ist es, gegenüber den Mitarbeitern Ruhe und Zuversicht auszustrahlen, lösungsorientiert zu denken und zu motivieren.

Wir nehmen die gegenseitigen Ängste wahr. Umso wichtiger ist es, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen

Oben:

Heißt das, Angst ist ansteckend?

Oliver Haller:

Oh ja. Angst ist höchst ansteckend. Vor allem, wenn wir Verantwortung für andere tragen. Als Führungskraft in einem Unternehmen genauso wie als Elternteil in einer Familie oder auch als Fußballtrainer, der vor der Mannschaft steht. Wenn der Chef oder die Chefin nicht an den Sieg glaubt oder gar Angst hat, wird die Mannschaft nervös. Auch das kommt aus der Evolution und macht total Sinn.

Sieht ein Schaf den Wolf, steckt es die gesamte Herde mit seiner Nervosität an und trägt dazu bei, dass auch die Kollegen fluchtbereit sind. In unserem Fall ist es sehr anstrengend und auf Dauer auch ungesund, für gestresste Führungskräfte zu arbeiten. Daher ist es nicht nur für jeden Einzelnen gesund und wichtig, sich mit Entspannung und Resilienz zu beschäftigen, sondern auch für euren Betrieb und euer Umfeld.

Oben:

Ok, verstanden! Aber wie mache ich das? Was sind die besten Methoden gegen Stress und Belastung?

Oliver Haller:

Da gibt es ganz, ganz viel. Wichtig ist, etwas zu finden, das Spaß macht, und konsequent zu bleiben. Wenn sich Stressmanagement wie eine mühsame Aufgabe anfühlt, wird es nicht gelingen. Dann kommt eher noch das schlechte Gewissen, dass man es nicht hinkriegt, und das macht alles noch schlimmer.

Meistens suchen wir erst nach Auswegen, wenn uns schon irgendetwas weh tut. Kaum sind die Symptome weg, machen wir auch unsere Übungen nicht mehr. Das kennen viele von Rückenschmerzen. Genauso verhält es sich mit der Motivation, etwas gegen die täglichen Belastungen zu unternehmen. Deswegen müssen Rituale geschaffen werden, die immer da sind, an die wir gar nicht denken müssen, die uns einfach begleiten und unterstützen.

Um herauszufinden, was dich am besten unterstützt und wie deine Routinen aussehen könnten, müsste ich dich noch ein bisschen besser kennenlernen. Aber so ein Basis Set gilt für alle. Regelmäßige Schlafzeiten, um die innere Uhr wieder zu stellen; tägliche Bewegung, um Stresshormone abzubauen, und aktive Entspannung. Das können Atemübungen sein, Meditation, aber auch das Lösen eines Rätsels oder das Üben eines Instruments.

Wichtig ist, dass wir im Hier und Jetzt sind und unsere Gedanken keine Möglichkeit finden, sich auf das Gefährliche, das Stressige zu fokussieren. Das nennt man auch Achtsamkeit. Tagträumen ist ebenfalls eine wunderbare Art der Entspannung und Übungen aus der positiven Psychologie.

Oben:

Was kann ich mir unter positiver Psychologie vorstellen?

Oliver Haller:

Ich hab ja vorhin von unserer Überwachungs-Software gesprochen, die uns dazu bringt, ständig nach Gefahren zu suchen und das Gefährliche in Situationen zu sehen. Klingt nicht sehr beruhigend und ist es auch nicht. Nachdem wir das schon seit unserer Kindheit gemacht haben, sind die zugehörigen Gehirnautobahnen ausgebaut wie ein sechsspuriger Highway, und wir müssen anfangen, eine alternative, positive Gedankenroute anzubieten und aufzubauen. Das passiert nicht von selbst.

Wir müssen daran arbeiten, bis wir unterbewusst beginnen, die neue Gehirnautobahn zu befahren und die alte abzubauen. Ich weiß, dass es nicht alle gleichermaßen anspricht, aber ich empfehle, ein Büchlein anzuschaffen und jeden Abend in ein paar Sätzen aufzuschreiben, wofür du dankbar bist, was du Tolles erlebt hast und worauf du stolz bist. Du gehst mit einem ganz anderen Gefühl schlafen und trainierst das positive Denken.

Du kannst dir auch kleine Affirmationen als Screensaver auf dein Handy laden und jedes Mal, wenn du dein Handy entsperrst, darfst du erstmal lesen, wie toll du bist. Das sind die Kleinigkeiten mit großer Wirkung, die uns viel Belastung nehmen.

Oben:

Lass uns noch kurz über Mitarbeiter und Motivation sprechen. Du hast vorhin kurz die Fußballtrainer erwähnt. Können wir von denen etwas lernen?

Oliver Haller:

Zuerst mal, dass es wichtig ist, die Talente zu erkennen und an den richtigen Positionen einzusetzen. Nur wenn wir die Ressourcen haben, unseren Job gut auszufüllen, werden wir uns wohlfühlen und wird unsere Leistung auch belohnt werden. Jeder Mensch braucht eine Art von Wertschätzung. Die kann ich aber nur geben, wenn ich die Person gut kenne oder Interesse zeige, sie oder ihn besser kennenzulernen. Dann werde ich auch merken, mit welcher Art von Feedback ich motivieren kann.

Noch wichtiger ist es, dass Mitarbeiter lernen, sich selbst zu motivieren. Die sogenannte intrinsische Motivation zu erleben. Die Natur hat es so eingerichtet, dass wir erfolgreiche Dinge gerne wiederholen. Dafür müssen wir aber mitkriegen, dass sie erfolgreich sind und waren.

Mein Rat wäre es, zur guten alten Liste zurückzukehren, um die erledigte Arbeit sichtbar zu machen. Abhaken, durchstreichen und die Erfolge feiern. Richtung positiver Psychologie kann ich nur hinzufügen: Nicht wie die Geschichte läuft, wie sie endet, bleibt in Erinnerung! Gib deinen Geschichten ein gutes Ende und sieh das Positive an deinen Erlebnissen und Tagen. Dann stehst du von ganz alleine motivierter auf.

Oben:

Das ist doch ein schöner Schlusssatz und positives Ende für unser Interview. Vielen Dank, lieber Oliver, dass du dir Zeit hierfür genommen hast.  

Infos und Kontakt:

Oliver Haller

Health Impact Coach

Tel: +49 (0) 170 8029258

E-Mail: medcoaching@oliverhaller.com

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