Nun gut, als aufmerksame Leser wisst Ihr, dass wir noch nicht SOOO viele Klettersteige in Spanien gegangen sind. Aber dennoch trauen wir uns, zu sagen: Der Via ferrata Cagate Lorito in der Provinz Lleida gehört bestimmt zu den schwersten in Spanien. Hoffen wir jedenfalls – denn wir sind hier durchaus an unsere Grenzen gestoßen.

Wie so viele Klettersteige in Spanien ist dieser Via ferrata an einem überschaubaren Stück Fels gebaut. Es geht hier weniger um lange, ausgedehnte Touren am Berg, sondern vielmehr um die Überwindung vieler Höhenmeter auf möglichst kleinem Terrain. Das Besondere an diesem Via ferrata: er ist gespickt mit sensationellen Elementen, die uns bisher noch nicht oder zumindest noch nicht so untergekommen sind. Sowohl der Weg hinauf als auch der Weg hinab sind mit K6 auf der Hüsler-Skala bewertet, der höchsten Bewertung, die diese Skala zu bieten hat. Dazu findet sich bei bergwelten.com die Umschreibung: „Klettersteige für die „Cracks“ mit starken Oberarmen, solidem Nervenkostüm und tadelloser Kondition“.

Beschaffenheit

Der Via ferrata ist erst im Jahr 2012 eingerichtet worden und in einem erstklassigen Zustand. Im Gegensatz zu den französischen Klettersteigen ist hier wenig Eisen zu finden und viel Felskontakt vorgesehen. Sport- oder gar Kletterschuhe können dabei helfen, die Reibung am Fels auszunutzen.

Material

Ihr benötigt das übliche Material: Gurt, Klettersteigset und Helm, aber keine Seilrolle. Wie immer empfehlen wir, eine kurze Bandschlinge mitzunehmen, um zwischendrin Eure Arme entlasten zu können – oder um Euch in den Gurt zu setzen und zu überlegen, ob Ihr wirklich weitergehen wollt.

Anfahrt

Der Klettersteig befindet sich in St. Llorenç de Mongai in der Provinz Lleida. Aus Richtung Barcelona kommend nehmt Ihr die – nicht gebührenpflichtige – Autobahn A2 bis Carr. de Tàrrega (Ausfahrt 504). Dort fahrt Ihr auf die C-53 in Richtung Vilagrassa/Balaguer/Vall D‘aran. Kurz vor Balaguer folgt Ihr dem Schild Balaguer-Nord. Von dieser Straße geht die C-13 ab. Auf dieser fahrt Ihr etwa 8 km, bis links die LV-9047 abzweigt. Die Schilder nach Sant Llorenç de Montgai führen Euch in die richtige Richtung. Wenn Ihr den Ort Sant Llorenç de Montgai passiert habt, bleibt Ihr noch für etwa einen halben Kilometer auf der Straße, die immer parallel zum Wasser bleibt. Auf der linken Straßenseite findet Ihr in einer leichten Rechtskurve der Straße den Parkplatz, auf dem sich auch eine Infotafel über den Via ferrata befindet.

Startpunkt

Schon der Zustieg ist ein Abenteuer. Vom Parkplatz aus folgt Ihr dem Hinweisschild, das Euch zunächst idyllisch auf einen Trampelpfad den Ausläufer eines Berges queren lässt, gemütlich an einem Bächlein vorbei, bis Ihr vor einer großen Aufschüttung von Schottersteinen steht. Diese müsst Ihr erklimmen, um dann festzustellen, dass Ihr euch mitten auf Schienen – und zwar genau zwischen zwei Tunneln – befindet. Halleluja! Da hier ab und an noch Züge fahren, passt auf bei der notwendigen Überquerung der Gleise. Zum Via ferrata geht es dann stetig bergan, wobei steile Kletterpassagen mit Seilen abgesichert sind. Alles in allem benötigt Ihr etwa 20 Minuten und seid muskulär schon schön aufgewärmt, wenn Ihr beim Klettersteig ankommt.

Pole-Dance ist nichts dagegen

Verlauf 1. Teil (extrem schwer, K6)

Der Via ferrata ist in zwei Teile unterteilt. Teil 1 führt hinauf, Teil 2 hinab. Oben besteht die Möglichkeit, auszusteigen. So viel sei verraten: wer es nur mit Mühe hinauf geschafft hat, sollte von dieser Ausstiegsmöglichkeit auf jeden Fall Gebrauch machen. Denn hinab wird es noch schwieriger.

Der Einstieg in den Via ferrata bringt sogleich einen Vorgeschmack, auf das, was einen erwartet: Nur mit ausgefeilter Klettertechnik oder entsprechender Armeslänge ist es möglich, vom Fuße des Berges den ersten Griff zu erreichen. Wahrscheinlich ist dies absichtlich so eingerichtet, damit niemand das Schild ignoriert, das am Anfang des Klettersteigs dringend davor warnt, diesen Via ferrata als Anfänger begehen zu wollen.

Der Klettersteig führt sodann vertikal nach oben. Über einige Eisentritte und viel Fels, Überhänge inklusive, macht man schnell ordentliche Höhenmeter. Sodann folgen spektakuläre Elemente, von denen hier vor allem die frei schwebende Leiter erwähnt werden soll. Unter einem Überhang stehend erreicht man diese auf dem höher gelegenen Felsband angebrachte, frei in dem Raum schwebende Leiter nur durch einen beherzten Spreizschritt. Wohl dem, der Spagat kann. Zur Belohnung darf man die Glocke läuten, die an der Leiter hängt, bevor man an dieser hinaufkraxelt, wohlgemerkt: freischwebend. Diese Leiter ist charakteristisch für die Elemente dieses ersten Teils: Sie erfordert außergewöhnliche Bewegungen und eine ordentliche Portion Mut.

Am oberen Ende des Felsens angekommen – 300 Höhenmeter später – erwartet einen eine wunderschöne, etwa zehn Meter lange Zwei-Seil-Brücke, auf der man endlich auch mal den herrlichen Ausblick in diese wunderschöne Landschaft riskieren kann. Kurz hinter dieser Verschnaufpause befinden sich der Ausstieg aus dem Via ferrata und der Einstieg in Teil 2.

Freischwebende Leiter im Überhang

Verlauf 2. Teil (extrem schwer, K6)

Der zweite Teil des Via ferratas schafft es tatsächlich, den ersten an Herausforderungen und spektakulären Elementen zu toppen. Gäbe es auf der Hüsler-Skala eine höhere Bewertung als K6, so hätte es dieser Teil definitiv verdient. Ihr solltet diesen Teil wirklich nur begehen, wenn Ihr nach dem Aufstieg noch Luft habt und Euch der erste Teil noch nicht an Eure Grenzen gebracht hat. Zwischendurch habt Ihr keine Möglichkeit mehr, den Via ferrata zu verlassen, falls Ihr Euch überschätzt habt.

Der Abstieg ist zum einen geprägt von Kletterei ohne richtige Griffe oder Tritte. Als Halt dienen oft nur schmale rote Trittpunkte am Fels, und das, obwohl es oft im Überhang quer zum Berg geht. Hier hilft die Bandschlinge, die Arme zu entlasten.

Zum anderen begegnen einem auch auf diesem Weg Elemente, deren Gebrauch Mut und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erfordern. Da ist zum Beispiel die Feuermann-Stange, an der man vom oberen Felsband auf das untere hinabrutschen muss. Oder die Tyrolienne, die eine rollende Trapezstange ist, an der man frei hängend einen Abgrund überwinden soll. Und nicht zu vergessen das Seil, das mitten am Fels hängt, dort wo der Via ferrata scheinbar nicht mehr weiterführt, wäre da nicht dieses Seil. Schafft man es, dieses zu sich heran zu angeln, wobei schon das äußerstes Geschick erfordert, immerhin steht man ja einfach nur am Fels, kann man sich in den daran befindlichen Ring einhängen und muss dann – ja, abspringen! Und zwar so, dass man etwa fünf Meter um den Fels herum schwingt, um auf der anderen Seite einen Haltegriff zu erwischen.

Wenn Ihr all dies und die Strickleiter am Ende, die Eure Arme noch ein letztes Mal aufpumpt, überwunden habt, landet Ihr schließlich wieder am Ausgangspunkt. Das hat den Vorteil, dass Ihr schweres Gepäck oder die Utensilien für das Picknick danach dort deponieren könnt, bevor Ihr in den Via ferrata einsteigt.

Dauer dieses Klettersteigs ca. 1,5 – 2 Std

Nichts für Kinder oder Anfänger

Abstieg

Der Abstieg ist dem entsprechend der gleiche Weg wie der Zustieg, wenn Ihr den zweiten Teil gegangen seid. Ansonsten führt ein Fußweg hinab, für den Ihr dann aber festeres Schuhwerk als Kletterschuhe dabei haben solltet.

Fazit

Der Klettersteig ist absolut lohnenswert. Solltet Ihr in der Gegend sein, verpasst ihn besser nicht. Für Genusskletterer ist er freilich nichts, eher für die Sportlichen unter Euch, die auch gerne mal an ihre Grenzen gehen.

Tipps

Die Provinz Lleida (auch: Lerida) liegt etwa zwei Auto-Stunden nord-westlich von Barcelona und bietet ein Eldorado für Sportkletterer. Dazu gehört auch die Area St. Llorenç de Montgai. Daher findet Ihr in unmittelbarer Umgebung zum Via ferrata herrliche Kletterrouten in höheren Schwierigkeitsgraden – oder besser andersherum: Irgendwo zwischen all diesen Kletterouten findet Ihr den Via ferrata. Wer von Euch also sicher genug am Fels ist, um Routen ab einem Schwierigkeitsgrad von 6a aufwärts auf der französischen Scala zu klettern, der kann sich hier etliche Tage austoben. Ansonsten lockt der nahe See, der sich aus dem Fluss El Segre bildet. An dessen Ufer findet Ihr auch einen Campingplatz.

Einen Ausflug oder Zwischenstopp wert ist auch der 9 km entfernte Ort Balaguer, der mit typischem nord-spanischen Flair, diversen Geschäften und einer netten Uferpromenade zum Flanieren einlädt. Unbedingt mitnehmen solltet Ihr Euch Olivenöl aus der Region aus einer der zahlreichen Mühlen, die Ihr auf dem Weg durch die Provinz passiert.